Themenraum „Frauen am Bauhaus“
Lotte trifft ihre Schwester Irm zufällig auf der Straße. Lotte versucht, sie von dem sich in der Gesellschaft vollziehenden Wandel zu überzeugen, der Frauen mehr Freiraum zur Selbstverwirklichung bietet.
„Aber es könnte alles so sein wie’s war. Ich könnte weiter für Vater arbeiten, aber darum geht’s ihm nicht. Er will über mich bestimmen, Irm. Nur weil ich eine Frau bin. Aber ich bin doch ein eigener Mensch. Ich hab doch das gute Recht, mein Leben so zu führen, wie ich will. Du doch auch. Wir Frauen können doch jetzt mitgestalten. Vater wird‘s irgendwann verstehen. Die Welt hat sich verändert.“
Lotte Brendel
Die Figur der Lotte Brendel im Film “Lotte am Bauhaus” ist fiktiv und setzt sich aus Biographien mehrerer Frauen am Bauhaus zusammen. Großen Einfluss auf den Filmcharakter hat Alma Siedhoff-Buscher.
Wie Lotte im Film, stellte Alma Siedhoff-Buscher Kinderspielzeug her. Sie studierte von 1922 bis 1925 am Bauhaus in Weimar, danach bis 1927 am Bauhaus in Dessau, wo sie auch als Lehrbeauftragte tätig war.
Siedhoff-Buscher machte sich vorrangig einen Namen durch die Herstellung von Kinderspielzeug. Ihrer Vision nach sollte ein Kind zum selbstbestimmten Spielen angeregt werden und sowohl kindliche Kreativität als auch persönliche Vorlieben in den Gestaltungsmöglichkeiten der Spielzeuge berücksichtigt werden. Diese sollten sich den intellektuellen und körperlichen Entwicklungen des Kindes anpassen, so dass sich mit fortschreitendem Alter immer neue Facetten entdecken ließen.
Die Filmfigur Lotte Brendel (Alicia von Rittberg) wird in „Lotte am Bauhaus“ beinahe von Gropius aus der Holzwerkstatt in die Weberei versetzt. Zum Glück kann sie sich durchsetzen. Für die erste Bauhaus-Ausstellung 1923 im Haus am Horn entwirft sie Kinderzimmermöbel, die für Aufsehen sorgten. Die Originale stammen von Alma Siedhoff-Buscher.
Alma Siedhoff-Buscher erschuf die weltweit erste polyfunktionale Spiellandschaft für Kinder. Bauhaus-Meister László Moholy-Nagy erkannte das Potential in dem Design schon früh: Aus den Kuben konnte ein Tisch, Babybett, Hocker oder Regal entstehen. Dies entsprach der Forderung von Gropius, dass ein Bauhaus-Produkt materialsparend und kostengünstig sein sollte.
Im Gegensatz zu vielen Arbeiten anderer Bauhäusler zeigte sich hier die von Gropius propagierte Einheit zwischen Kunst und Technik. Siedhoff-Buschers Kinderzimmermöbel ließen sich in großen Stückzahlen industriell reproduzieren. So wurden Kritiker beschwichtigt, die der Schule nicht zutrauten, dass am Bauhaus praktische, lebensnahe Produkte entstünden.
Die Filmfigur Lotte hat in ihrer Anfangszeit am Bauhaus kein Geld und so muss sie sich für ihre finanzielle Unabhängigkeit etwas einfallen lassen. Lotte kann sich mit dem Schiffbauspiel Geld während des Studiums dazu verdienen, genauso wie es ihr reales Vorbild Alma Siedhoff-Buscher getan hat.
Das originale Schiffbauspiel wurde 1924 von Siedhoff-Buscher entworfen. Es kombiniert fundamentale Bauhaus-Gestaltung, reformpädagogische Ansätze und ihre Vision, nach der Kinder ihrer Kreativität freien Lauf lassen sollten. Je nach Kreativität und intellektueller Begabung des Kindes lassen sich unterschiedliche Figuren zusammenstellen.
Buscher wollte Ihre Spielzeuge so vielen Kindern wie möglich anbieten können. Damit unterschied sie sich von ihren Zeitgenossen, z.B. Klee oder Feininger, deren Kinderspielzeuge sich eher als künstlerisches Vermächtnis und nicht als massentaugliches Produkt verstanden. Sie war die erste Bauhäuslerin, die ein Patent angemeldet hatte. Ihr Schiffbauspiel wird noch bis heute produziert.
Lotte und Dörte Helm müssen sich vor dem Direktor Walter Gropius behaupten, um ihre Wunsch-Werkstattplätze zu behalten und nicht gegen ihren Willen in die Weberei versetzt zu werden. Gropius propagierte zwar, dass allein das Talent und nicht das Geschlecht über einen Werkstattplatz am Bauhaus entscheiden sollte, allerdings ließ sich dies nicht immer problemlos umsetzen.
„Es geht hier nicht um Platz, Fräulein Helm. Selbst wenn wir Sie in die Werkstätten Ihrer Wahl ließen, müssten Sie Ihre Gesellenprüfung vor einer Handwerksinnung ablegen. Und ich weiß nicht einmal, ob die Innung Frauen akzeptiert.“
Walter Gropius
„Jetzt schieben Sie‘s auf die Innung? Was ist denn Ihre Haltung, Herr Gropius?“
Dörte Helm
„Es ist die gesellschaftliche Realität, und vor der können wir nicht die Augen verschließen.“
Walter Gropius
„Aber es geht doch hier um unsere Stärken und Talente, egal ob wir Männer oder Frauen sind.“
Lotte Brendel
Lotte will sich im Film „Lotte am Bauhaus“ nicht vom Meisterrat vorschreiben lassen, in welche Werkstatt sie zu gehen hat. In die Weberei will sie nicht. Dabei sollte die Weberei zu einer der erfolgreichsten Bauhaus-Werkstätten werden.
Bereits im Gründungsjahr des Bauhauses 1919 wurden sowohl Männer als auch Frauen zum Studium zugelassen – im ersten Jahr waren es fast so viele weibliche wie männliche Studenten. Trotz der scheinbaren Gleichberechtigung hatten Frauen mit Ressentiments innerhalb und außerhalb des Bauhauses zu kämpfen und viele mussten in die Weberei, die schon bald als “Frauenklasse” bezeichnet wurde.
Trotz der scheinbaren Degradierung entstanden in der Weberei richtungsweisende Arbeiten des Bauhaus, geschaffen von Bauhaus-Studierenden wie Gunta Stölzl oder Anni Albers. Die Werkstatt verhalf dem Bauhaus außerdem zu durchschlagendem kommerziellen Erfolg.
Dörte Helm ist im Film der Hauptfigur Lotte Brendel gegenüber erst skeptisch eingestellt, entwickelt sich aber zunehmend zu ihrer Verbündeten. Dörte tritt politisch couragiert auf und kämpft mit Lotte gemeinsam für Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Ihre Rolle ist an das Leben der echten Dörte Helm angelehnt.
Als real existierende Person hatte Helm vielfältige künstlerische Talente und tat sich als Malerin, Weberin und Grafikerin hervor. Walter Gropius stand ihr künstlerisch nah und förderte sie seit Beginn ihres Bauhaus-Studiums. Bereits 1922 arbeitete sie mit Gropius zusammen am Projekt Haus Sommerfeld, indem sie an der Innenausstattung mitwirkte. Paul erwähnt im Film kurz, dass er als Architekt daran mitwirken soll. Durch die Nähe zu Gropius ist es umso interessanter zu sehen, dass sie im Film so vehement seine Prinzipientreue einfordert.
Lotte Brendel hat als Filmfigur mehrere historische Bauhaus-Frauen zum Vorbild. Neben Alma Siedhoff-Buscher, deren „Schiffbauspiel“ Lotte Brendel im Film entwirft, auch Gunta Stölzl: Lottes Begeisterungsfähigkeit für ihre künstlerischen Erzeugnisse und ihre hohe Material-Affinität spiegeln sich in der real existierenden Gunta Stölzl.
Gunta Stölzl war eine der ersten weiblichen Studierenden am Bauhaus. Stölzls Arbeiten hatten einen fundamentalen Einfluss auf das Wirken und Ansehen der Bauhaus-Weberei. So schreibt die Bauhaus-Zeitschrift 1931: “Dass man von Bauhaus-Stoffen spricht, ist ihr Verdienst”.
Frauen erhielten kaum Lehrpositionen am Bauhaus und so war Gunta Stölzl eine der wenigen Lehrenden und die einzige weibliche Meisterin.
Ihre Begeisterung für die Webstoffe und die hohe Affinität zum freien Experiment übertrug sich auf die anderen Studierenden, weshalb sie schnell in eine Leitungsposition aufstieg.
In der Dessauer Zeit erschuf sie interdisziplinäre Arbeiten, indem sie Textilstoffe für Marcel Breuers Möbel designte. Ihre zahlreichen Entwürfe sollten die Grundlage für prägende Weberzeugnisse und Teppiche darstellen.
Wie ein Teppich zum abstrakten Bild wurde.
„Wandbehang Rot Grün“ von Gunta Stölzl enthält unzählige abstrakte Muster. Diese stehen im starken Kontrast zu den bildhaften Kompositionen von Anni Albers (deren Arbeiten im Raum „Kunst am Bauhaus” vorgestellt werden). Dieses Werk von Stölzl entspricht vielmehr einer Collage, die durch die Anordnung verschiedenster geometrischer Formen ein ausgewogenes Gesamtbild abgibt. Zunächst mag die Anordnung der geometrischen Formen willkürlich erscheinen, jedoch existieren zahlreiche Entwurfsskizzen, die von einer durchdachten Gesamtidee Stölzls zeugen.